Ganz und Netanjahu vereinbaren Große Koalition

Israels rechtskonservativer Regierungschef Benjamin Netanjahu und sein oppositioneller Rivale Benni Ganz haben sich auf die Bildung einer Großen Koalition geeinigt. Eine entsprechende Vereinbarung werde unterzeichnet, teilten Netanjahus Likud-Partei und Ganz’ Mitte-Bündnis Blau-Weiß gestern gemeinsam mit.

Nach Medienberichten ist in der Großen Koalition eine Rotation im Amt des Ministerpräsidenten vorgesehen. Netanjahu soll als Erster eineinhalb Jahre lang das Amt bekleiden und dann von Ganz abgelöst werden. Die umstrittene Einigung soll eine seit mehr als einem Jahr andauernde Pattsituation zwischen Netanjahus rechts-religiösem Block und dem Mitte-Links-Lager um Ganz beenden. Beide Seiten haben betont, angesichts der Coronavirus-Krise sei eine Große Koalition notwendig.

Die Verhandlungen waren immer wieder ins Stocken geraten. Blau-Weiß hatte zuletzt gedroht, ohne eine Einigung werde man heute im Parlament ein Gesetz einbringen, das eine künftige Beauftragung Netanjahus mit der Regierungsbildung wegen einer Korruptionsanklage gegen ihn verhindern solle. Gestern Abend hatten in Tel Aviv Tausende Israelis gegen Netanjahu und aus ihrer Sicht antidemokratische Maßnahmen unter anderem im Kampf gegen das Coronavirus demonstriert.

Ganz’ Mitte-Bündnis zerbrochen

Ganz’ Mandat zur Regierungsbildung war nach einer Verlängerung am Mittwochabend ausgelaufen. Präsident Reuven Rivlin gab das Mandat daraufhin dem Parlament. Binnen drei Wochen konnte jeder Abgeordnete – auch Ganz und Netanjahu – versuchen, sich die Unterstützung von 61 der insgesamt 120 Parlamentarier zu sichern. Ohne Einigung hätte Israel zum vierten Mal seit April 2019 ein neues Parlament wählen müssen.

Im Streit über den Schritt von Ganz war sein Mitte-Bündnis Blau-Weiß zerbrochen. Er tritt daher nur mit dem verbleibenden Teil von Blau-Weiß in die Koalition ein. Das Restbündnis verfügt über 17 von 120 Mandaten im Parlament, während Netanjahus Likud mit 36 Sitzen stärkste Fraktion wurde. Nach der Einigung warb Ganz für die neue Regierung: „Wir haben eine vierte Wahl verhindert. Wir werden die Demokratie schützen.“

Palästinenser prangern „Annexionsregierung“ an

Die Palästinenser reagierten mit scharfer Kritik auf die Ankündigung einer Notregierung in Israel. Der palästinensische Ministerpräsident Mohammed Schtajjeh sprach von einer „Annexionsregierung“. Sie bedeute ein „Ende der Zweistaatenlösung und ein Abbau der Rechte des palästinensischen Volkes“, erklärte Schtajjeh auf Twitter.

Israelischen Medienberichten zufolge sieht die Vereinbarung der Ex-Rivalen auch eine Annexion jüdischer Siedlungen und weiterer Gebiete im von Israel besetzten Westjordanland vor.