Proteste in den USA
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Polizist kniet auf Hals

Tod von Afroamerikaner entsetzt USA

Ein auf Video gebannter Polizeieinsatz sorgt in den USA für Entsetzen und Proteste. Ein weißer Polizist in der Stadt Minneapolis drückt sein Knie mehrere Minuten lang auf den Hals eines schwarzen Verdächtigen, der wiederholt um Hilfe fleht, bevor er das Bewusstsein verliert. Der Afroamerikaner starb kurz danach in einem nahen Krankenhaus.

Die Polizei von Minneapolis teilte mit, der Vorfall werde nun nicht nur intern, sondern auch von der Bundespolizei (FBI) untersucht. Der Bürgermeister der Stadt im US-Staat Minnesota, Jacob Frey, zeigte sich entsetzt: „Es sollte in Amerika kein Todesurteil sein, schwarz zu sein.“ Die vier in den Fall involvierten Polizisten seien entlassen worden, schrieb Frey am Dienstag (Ortszeit) auf Twitter.

Der Mann, George Floyd, hätte nicht sterben dürfen, so Frey. Mit Blick auf das Video sagte er vor Journalisten: „Was wir gesehen haben, ist schrecklich. Fünf Minuten lang sahen wir zu, wie ein weißer Polizist einem hilflosen Schwarzen sein Knie in den Nacken drückte", sagte der Bürgermeister weiter: „Fünf ganze Minuten lang. Das war keine Frage einer sekundenschnellen schlechten Entscheidung“, wurde Frey von der „Washington Post“ zitiert. Er fügte hinzu: „Was auch immer die Untersuchung ergibt, kann nicht die einfache Wahrheit verändern, dass er heute Früh noch bei uns sein sollte.“ Was die Videos des Vorfalls von Montagabend zeigten, sei „in jeder Hinsicht falsch“. Auch in Washington äußerten sich mehrere Abgeordnete und Senatoren entsetzt.

„Ich kann nicht atmen“

Die Polizei sagte, die Beamten seien an den Ort gekommen, um einen Betrugsfall zu untersuchen. Der gut 40 Jahre alte Verdächtige habe Widerstand geleistet. Dann heißt es: „Die Beamten konnten den Verdächtigen in Handschellen legen und stellten fest, dass er medizinische Hilfe zu brauchen schien.“ Die Beamten hätten daher einen Krankenwagen gerufen. Es blieb unklar, ob der Mann schon vor dem Vorgehen der Polizisten medizinische Hilfe gebraucht hätte.

Proteste in den USA
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Das Entsetzen über den Vorfall manifestiert sich auch bei Protesten

Ein zehn Minuten langes Video, das auf Facebook bis Dienstagmittag (Ortszeit) bereits rund 700.000-mal angeschaut wurde, zeigt, wie ein weißer Polizist auf dem Hals des Mannes kniet. Anfangs spricht dieser noch und sagt wiederholt: „Ich kann nicht atmen.“ Er fordert die Beamten mehrfach auf, ihn loszulassen. Er sagt ihnen auch zu, dann freiwillig ins Polizeiauto einzusteigen. „Ich kann nicht atmen“, wiederholt er. Ein Passant fordert die Polizisten wiederholt auf, den Verdächtigen loszulassen.

Anwalt: „Missbräuchliche Gewaltanwendung“

Der Mann auf dem Boden wird zunehmend ruhiger, bevor er das Bewusstsein zu verlieren scheint. „Messt seinen Puls“, schreit ein Passant. Sanitäter laden den Mann etwa acht Minuten nach Beginn des Videos in einen Krankenwagen. In dem Video sind zwei Polizisten zu sehen; welche Rolle die beiden ebenfalls entlassenen Beamten spielten, ist unklar.

Der Anwalt Benjamin Crump schrieb auf Twitter, Floyds Familie habe ihn engagiert, um sie in diesem Fall von „missbräuchlicher, exzessiver und unmenschlicher Gewaltanwendung“ zu vertreten. Die Polizei müsse zur Rechenschaft gezogen werden.

Proteste und Ausschreitungen

Laut Medienberichten kam es bei einem Protest gegen die Polizeigewalt in Minneapolis zu Ausschreitungen. Bereitschaftspolizisten setzten am Dienstag Tränengas und nicht tödliche Schrotgeschoße gegen die Menge ein, wie die Zeitung „Star-Tribune“ berichtete. Die Demonstranten wiederum warfen laut Bericht mit Wasserflaschen und anderen Gegenständen. Das Lokalfernsehen zeigte Aufnahmen von Menschen, die vor einer Polizeidienststelle randalierten. Nach Einbruch der Dunkelheit schien sich die Lage beruhigt zu haben. Die Demonstration hatte zunächst friedlich begonnen.

Erinnerungen an älteren Fall

In den USA kommt es immer wieder zu aufsehenerregenden Fällen von Polizeigewalt gegen Schwarze. Der jüngste Vorfall erinnert an den ebenso auf Video festgehaltenen Fall des Afroamerikaners Eric Garner. Der damals 43-Jährige wurde 2014 von New Yorker Polizisten zu Boden geworfen; sie drückten ihm die Luft ab, später starb er im Krankenhaus. Garners letzte Worte – „Ich kann nicht atmen“ – wurden zu einem Slogan der Bewegung „Black Lives Matter“. Diese setzt sich in den USA für Gleichberechtigung von Schwarzen und Weißen und gegen Polizeigewalt ein.

Rassismusvorfall auch im New Yorker Central Park

In New York sorgte indes ein weiterer Fall für Rassismusvorwürfe. Ein afroamerikanischer Hobbyvogelbeobachter hatte eine weiße Frau gebeten, den Parkregeln entsprechend ihren Hund anzuleinen, wie ein Video zeigt, das die Schwester des Mannes auf Twitter veröffentlichte, wie am Dienstag bekanntwurde. Die Frau lehnte das jedoch ab, rief die Polizei und drohte damit zu berichten, dass ein afroamerikanischer Mann ihr Leben bedrohe. Das Video wurde schnell mehr als 25 Millionen Mal gesehen. Die Polizei bestätigte, dass es die „mündliche Auseinandersetzung“ gegeben habe. Es habe keinerlei Verwarnungen gegeben, niemand sei festgenommen worden.

Das Video zeige „Rassismus, ganz einfach“, kommentierte New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio. „Sie hat die Polizei angerufen, weil er ein schwarzer Mann war. Auch wenn sie diejenige war, die die Regeln verletzt hat. Sie hat entschieden, dass er ein Krimineller sei, und wir wissen, warum. Diese Art von Hass hat in unserer Stadt keinen Platz.“ Der Arbeitgeber der Frau, eine Investmentgesellschaft, teilte mit, dass sie freigestellt worden sei. Die Frau entschuldigte sich, wies aber alle Rassismusvorwürfe zurück. „Es war inakzeptabel, und ich entschuldige mich demütig und vollkommen.“

Dritte Festnahme nach Mord an unbewaffnetem Jogger

Unterdessen gab es im Fall des getöteten unbewaffneten Schwarzen im US-Bundesstaat Georgia eine weitere Festnahme. Dem 50-jährigen William B. – einem Weißen – werde unter anderem vorsätzlicher Mord zur Last gelegt, wie das Kriminalamt in Georgia am Donnerstag vergangener Woche mitteilte.

Nach Angaben des Anwalts der Familie des getöteten Ahmaud Arbery, Lee Merritt, filmte B. den Angriff am 23. Februar aus seinem Auto. Es dauerte mehr als zwei Monate, bis es die ersten beiden Festnahmen wegen des Mordes an dem 25-Jährigen gab. Die Ermittlungen kamen erst richtig in Gang, als der Fall durch das verstörende Handyvideo breite Aufmerksamkeit erlangte. Arbery wurde beim Joggen getötet. Anwalt Merritt wirft B. vor, er sei bewaffnet gewesen und habe beim Filmen seine Waffe entsichert. In dem 14-Sekunden-Clip ist in der Tat ein entsprechendes Geräusch zu hören.

Anfang Mai waren der 64 Jahre alte Gregory M. und sein 34 Jahre alte Sohn Travis festgenommen worden. Ihnen werden schwere Körperverletzung und Mord zur Last gelegt. Den Ermittlern zufolge hatten die Tatverdächtigen Arbery mit zwei Schusswaffen bedroht, als dieser in der Gegend unterwegs war. Alle drei Tatverdächtigen sind weiß.